Obamas Krieg gegen Whistleblower

Der Niedergang der freien Presse, die Ohnmacht des demokratischen Prozesses

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Obama pries Whistleblower als „beste Informationsquelle“ und seine Regierung als „die transparenteste in der Geschichte“ – nichts könnte entfernter von der Realität sein. Obama führte einen erbarmungslosen Krieg gegen Whistleblower und verhängte 31 Mal längere Gefängnisstrafen als sämtliche US-Präsidenten vor ihm zusammenaddiert. Er überreicht Trump ein Regierungssystem mit ungekannter Machtkonzentration im Oval Office.


Diese Beitrag (17.01.2017) wurde übernommen von Jakob Reiman, Freier Journalist und Gründer von JusticeNow!

Anfang vergangenen Jahres sah ich den „Urvater aller Whistleblower“ zu einer Diskussionsrunde im wunderschönen Dresden. Daniel Ellsberg erzählte mit einer Leidenschaft und Vitalität, wie es bei einem alten Mann wie ihm fast schon surreal erschien. Er redete vom Krieg und träumte vom Frieden. Er erzählte von Mut, Aufrichtigkeit und Rückgrat – Dinge, die er bei sämtlichen US-Regierungen der letzten Jahrzehnte vergeblich gesucht hatte.

 

Daniel Ellsberg, 2015: Der „Urvater aller Whistleblower“ deckte 1971 in seinen Pentagon Papers die Lügen der US-Regierungen im Vietnamkrieg auf. By Edward Kimmel, flickr, licensed under CC BY-SA 2.0.
Daniel Ellsberg, 2015: Der „Urvater aller Whistleblower“ deckte 1971 in seinen Pentagon Papers die Lügen der US-Regierungen im Vietnamkrieg auf. By Edward Kimmel, flickr, licensed under CC BY-SA 2.0.

Ellsberg erzählte, wie er 1971 mit seinen berühmten Pentagon Papers das notorische Lügen der US-Regierungen während des Vietnamkriegs entlarvte. Nach drei Artikeln in der New York Times ließ Präsident Richard Nixon in einem ungekannten Akt staatlicher Zensur die Veröffentlichung weiterer Teile verbieten. Nixon kochte vor Wut über Ellsberg und blökte zu seinem Sicherheitsberater Henry Kissinger: „Lasst uns diesen Hurensohn ins Gefängnis werfen!“

 

Der Oberste Gerichtshof erklärte Nixons Verbot für verfassungswidrig, die Times druckte weiter – ein Lehrstück in staatlicher Gewaltenteilung.

Schizophrenie – Präsident Obama vs. „Brand Obama“

Daniel Ellsberg hat nie ein Gefängnis von innen gesehen und ist seit jeher ein freier Mann. Doch die Pentagon Papers sind 45 lange Jahre her. Als Barack Obama 2009 ins Oval Office einzog, sollte sich der Wind drehen.


Die Marke Obama als perfekte Werbestrategie, ein Gesamtkonzept, ein Taschenspielertrick.


Am Themenkomplex der Whistleblower wird wie auf kaum einem anderen Gebiet ein Konzept deutlich, das zwar mehr oder weniger ausgeprägt auf alle Politiker zutrifft, doch von Obama derart professionell und effizient durchgeführt wird wie wohl von niemandem vor ihm: „Brand Obama“, die Marke Obama als perfekte Werbestrategie, ein Gesamtkonzept, ein Taschenspielertrick. In der Werbebranche werden schon lange keine Produkte mehr verkauft, sondern ihnen zugeschriebene Attribute und Gefühle. Nike verkauft keine Sportschuhe, sondern Vitalität. Apple verkauft in erster Linie Lifestyle und erst in zweiter Linie Technikendgeräte. Dasselbe gilt für die Marke Obama. (2008 gewann Brand Obama gar den renommierten „Advertising Age’s Marketer of the Year“-Award und ließ unter anderem Apple (2.) und Nike (4.) hinter sich.)

 

Seit Beginn seiner Yes We Can-Kampagne verführte Obama mit seiner Eloquenz, seiner Intelligenz und seiner vermeintlichen Coolness die Weltöffentlichkeit – und die fraß ihm aus der Hand. Doch diese öffentliche Wahrnehmung – Brand Obama – stand von Anfang an in krassem Gegensatz zu seiner Politik, die unterm Strich eine Weiterführung der pechschwarzen Bush-Jahre unter liberalem Re-Branding waren. Der großartige Chris Hedges formulierte bereits wenige Monate nach Obamas Amtseinführung:

 

„Präsident Obama macht eine Sache.

Und Brand Obama bringt dich dazu, eine andere zu glauben.“

 

An anderer Stelle analysierte ich bereits das krasse Missverhältnis aus Rhetorik und tatsächlichem Handeln Obamas in Bezug auf seine Kriegspolitik. Am Komplex Whistleblower-Journalismus-Regierungstransparenz nimmt dieses Missverhältnis ein Ausmaß an, das über die Grenze zur Schizophrenie bereits hinausgeht.

Vor und während seiner Amtszeit hat Obama unzählige Male die Transparenz seiner Regierung heraufbeschworen und sie dafür emporgehoben: „This is the most transparent administration in history.“ Doch nach zwei Amtszeiten Obama und von seinem Büro strengstens kontrollierten Interviewfragen kommt selbst das Mainstream-Blatt der Washington Post zu dem Ergebnis, die Obama-Regierung sei eine der „verschlossensten“ und „heimlichtuerischsten“ Regierungen in der Geschichte – das genaue Gegenteil also von dem, was Brand Obama uns verkaufen will.

 

2013 wurde der New York Times-Journalist James Risen in einem gefährlichen Präzedenzfall auf Drängen der Obama-Regierung hin per Gerichtsurteil dazu gezwungen, die Identität einer Quelle zu offenbaren, die des ehemaligen CIA-Mitarbeiters und Whistleblowers Jeffrey Sterling, wodurch weiter an einem der zentralen Pfeiler der freien Presse gesägt wird – dem Quellenschutz.

 

Du kannst diese Graphik gerne frei verwenden, so lange Du auf diesen Artikel hier verlinkst. CC BY-ND 2.0.
Du kannst diese Graphik gerne frei verwenden, so lange Du auf diesen Artikel hier verlinkst. CC BY-ND 2.0.

Noch vor seinem Amtseintritt pries auch die Obama-Kampagne in einem Strategiepapier Whistleblower als „oft die beste Informationsquelle über Verschwendung, Betrug, und Missbrauch der Regierung.“ Regierungsbeamte wurden von Obama gar dazu angeregt auszupacken, ihr „Mut und Patriotismus“ wurden gepriesen. Obama versprach, „Whistleblower-Gesetze zu stärken, um Beamte zu schützen.“

 


Obama verhängte 31 Mal so lange Gefängnisstrafen gegen Whistleblower wie sämtliche US-Präsidenten seit 1776 zusammenaddiert.


Doch das Handeln von Präsident Obama war die exakte Antithese zu den blumigen Versprechungen von Brand Obama: in den acht Jahren seiner Präsidentschaft hat Obama mehr Whistleblower unter dem Espionage Act angeklagt als sämtliche Präsidenten vor ihm zusammen. Der 1917 verabschiedete Espionage Act wurde von insgesamt 16 US-Präsidenten schmale vier Mal angewandt, während Obama allein acht Whistleblower unter dem Gesetz – das unter anderem die Todesstrafe vorsieht – anklagte. Aus der Summe der vollstreckten Urteile ergibt sich, dass während Obamas Amtszeit insgesamt 751 Monate Gefängnisstrafen gegen Whistleblower verhängt wurden, was 31 Mal so viel ist, wie sämtliche US-Präsidenten seit der US-Unabhängigkeitserklärung 1776 zusammenaddiert. Durchschnittlich verhängte Obama demnach sage und schreibe 1345 Mal so lange Gefängnisstrafen wie jeder der 43 Präsidenten vor ihm.

 

Dass diese extrem hohen Zahlen keineswegs nur die zufällige Häufung von Einzelfällen darstellen, sondern scharf kalkulierte Methode dahintersteckt, machte Dennis Blair, der erste Direktor der Nationalen Nachrichtendienste unter Obama, bereits 2009 deutlich, als er die Philosophie der Obama-Regierung im Umgang mit Whistleblowern unter anderem folgendermaßen umschreibt: „Es ist gut, hin und wieder einen Admiral zu hängen, als Exempel für die anderen.“ Unter potentiellen zukünftigen Whistleblowern soll ein Klima der Angst und der Einschüchterung geschaffen werden.

 

Als Obama bei einer Veranstaltung im Weißen Haus 2011 – Thema Regierungstransparenz – darauf aufmerksam gemacht wurde, dass die Verfolgung von Whistleblowern möglicherweise sein gutes Ansehen „besudeln“ könnte, widersprach er vehement und ließ sich nicht von seiner aggressiven Strategie der Strafverfolgung abbringen – Präsident Obama vertraut unerschütterlich der Macht von Brand Obama.

 

Die prominentesten Fälle, die unter dem Espionage Act angeklagt wurden, sind zweifelsohne Chelsea Manning und Edward Snowden. Der Dritte, der in diesem Zusammenhang genannt werden muss, ist Julian Assange, der Kopf der Plattform WikiLeaks.

 

Manning, Assange, Snowden

Die ehemalige US-Soldatin Chelsea Manning ist verantwortlich für den größten Leak von Militär-Geheiminformationen in der Geschichte der USA. Die Leaks beinhalten etwa 700.000 Dokumente mit Bezug auf Kriegsverbrechen des US-Militärs im Irak und Afghanistan, Folterberichte, das Konzentrationslager Guantanamo, geheime Diplomatendepeschen, und trugen wesentlich zur Korrektur der Opferstatistiken über ermordete Zivilisten bei. Weltweites Aufsehen erregte das Video Collateral Murderdas zeigt, wie US-Soldaten aus der Luft mehr als ein Dutzend friedliche Personen hinrichten, darunter zwei Reuters-Reporter, und zwei Kleinkinder schwer verletzen.

 

Unser Verständnis von US-amerikanischen Kriegen in Middle East wäre ohne Chelsea Manning heute ein gänzlich anderes, unser Wissen über US-Kriegsverbrechen wäre signifikant kleiner. Ihr gebührt unsere Anerkennung. Die US-Administration wollte an Manning jedoch ein Exempel statuieren und klagte sie an, unter anderem wegen „Unterstützung des Feindes“, worauf die Todesstrafe steht. Die Obama-Regierung forderte 60 Jahre Haft. Schlussendlich wurde Chelsea Manning zur beispiellosen Extremstrafe von 35 Jahren Haft verurteilt. Sie ging in Berufung, ihre Anwälte reden vom „vielleicht ungerechtesten Urteil in der Geschichte des militärischen Justizsystems.“

 

Der UN-Sonderberichterstatter über Folter nannte Mannings Haftbedingungen „grausam, unmenschlich und erniedrigend“, und rückte diese nahe der Definition von Folter, etwa ihre monatelange Isolationshaft und erzwungenes stundenlanges Nacktsein. Manning trat für den Kampf um „Würde und Respekt“ in den Hungerstreik ein. Depression und Verzweiflung trieben sie in zwei Selbstmordversuche, die sie zwar überlebte, dafür jedoch weitere Bestrafung zu erwarten hat.

 

Der Generalbundesanwalt der USA bot Manning einen Deal an. Demnach würde das Strafmaß herabgesetzt, sollte sie Julian Assange – den Kopf der Whistleblower-Plattform WikiLeaks, die Mannings Dokumente veröffentlichte – der Anstiftung belasten. Manning verweigerte jedoch die Zusammenarbeit und ließ keinen Keil zwischen sich und Assange treiben. In einem beispiellosen Akt der Solidarität bot Assange vielmehr wiederholt an, sich den US-Behörden zu stellen, sollte Präsident Obama Manning* begnadigen – eine Reaktion der US-Regierung blieb aus.

 

Twitter-Account von WikiLeaks

Julian Assange sitzt seit 2012 in Quasi-Gefangenschaft in der ecuadorianischen Botschaft in London fest. Assange flüchtete sich in die Botschaft, um der Festnahme durch die britische Polizei zu entgehen, die ihn nach eigenen Angaben sofort an die schwedischen Behörden ausliefern würde, wo Vergewaltigungsanschuldigungen gegen ihm im Raum stehen. Assange selbst sieht in den Vorwürfen gegen ihn ein Komplott und befürchtet, schlussendlich in die USA abgeschoben zu werden, wo ihm die Todesstrafe droht. Angesichts der Lynchmobstimmung gegen ihn – aus Politik wie aus Medien kam wiederholt die Forderung der illegalen Hinrichtung Assanges per Drohne – sind diese Befürchtungen mehr als berechtigt.

 

An die Öffentlichkeit geleakte Polizeidokumente belegen, dass nach Aussagen der vermeintlichen Vergewaltigungsopfer der Sex mit Assange sehr wohl einvernehmlich war. Mit ihrem Gang zur Polizei wollten die zwei Frauen lediglich einen HIV-Test von Assange verlangen, da er diesen freiwillig nicht machen wollte. Selbst die beiden Frauen waren dann überrascht, als die Behörden auf einmal wegen Vergewaltigung ermittelten. Auch die renommierte Frauenrechtsorganisation Women Against Rape setzte sich in einem Aufruf im Guardian für Assange ein und urteilte, seine Verfolgung sei politisch motiviert.

 

Assanges Familie schenkte ihm für etwas gute Gesellschaft in der ecuadorianischen Botschaft ein Katzenbaby. Sie hat einen eigenen Twitter-Account (@EmbassyCat) mit 27.000 Followern. By Ancho., flickr, published under public domain (edited).
Assanges Familie schenkte ihm für etwas gute Gesellschaft in der ecuadorianischen Botschaft ein Katzenbaby. Sie hat einen eigenen Twitter-Account (@EmbassyCat) mit 27.000 Followern. By Ancho., flickr, published under public domain (edited).

Eine Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen stellte 2016 in einer Untersuchung fest, dass die „willkürliche Inhaftierung“ Assanges illegal sei und warf der britischen und der schwedischen Regierung Menschenrechtsverletzungen vor. Die UN-Gruppe forderte beide Regierungen auf, Assange für die Jahre seiner Haft finanziell zu entschädigen. Stockholm und London wiesen die Vorwürfe der Freiheitsberaubung von sich, da es Assange jederzeit freistünde, die ecuadorianische Botschaft zu verlassen. Angesichts der mehr als realen Gefahr, beim Verlassen des Botschaftsgebäudes über Umwege in den USA wohlmöglich hingerichtet zu werden, ist diese Argumentation natürlich eine Farce.

 

Ein ähnliches Schicksal wird Edward Snowden zuteil, der sich nach seiner Flucht über Hongkong seit August 2013 an einem unbekannten Ort im russischen Exil aufhält. Von seinem ehemaligen Arbeitgeber, einem NSA-Dienstleister, kopierte er 1,7 Millionen geheimer Dokumente, was das Pentagon als den „größten Diebstahl von US-Geheimnissen in der Geschichte“ bezeichnet.

 

Zusammen mit dem Journalisten Glenn Greenwald (damals beim Guardian) deckte Snowden so die globale Überwachung jeglicher elektronischen Kommunikation durch US-Geheimdienste auf, deren Targets gleichermaßen Freund wie Feind sind, inländische wie ausländische Bürger, die UN, das EU-Parlament, Konzerne und Politiker weltweit. Allein in Deutschland wurden so jahrelang die Handys von mindestens 125 Spitzenpolitikern abgehört, darunter viele Minister, das berühmte Merkel-Handy, aber auch die der zwei vorherigen Kanzler Schröder und Kohl.

 

Deutschland als zentrales Thema des NSA-Skandals sollte Snowden besonders dankbar für seine Enthüllungen sein, doch Forderungen, Snowden in Deutschland Asyl zu gewähren, oder wenigstens die von der Opposition vor dem Bundesverfassungsgericht eingeklagte Forderung, ihn vor dem NSA-Untersuchungsausschuss aussagen zu lassen, wurden von der Bundesregierung stets abgeschmettert oder ausgesessen. Und während der damalige deutsche Geheimdienstchef Ronald Pofalla die NSA-Affäre dann auch im Handumdrehen für beendet erklärte und die Bundesregierung bis heute die Überwachung schlicht leugnet, findet Glenn Greenwald klare Worte für die Rückgratlosigkeit der Merkel-Regierung:

„Es ist wirklich schrecklich mitanzusehen, wie Edward Snowden seine Freiheit und sein Leben riskierte, massive Risiken, um die Privatsphäre der Deutschen und die der deutschen Regierung zu schützen. Und dann weigert sich die Regierung, auch nur das kleinste Risiko einzugehen, nur um irgendwelche Spannungen mit den USA zu vermeiden. Und sie weigert sich, Snowdens Rechte zu schützen, so wie er ihre beschützt hat – es ist eine Schande!“

 


Die Bundesregierung weigert sich, Snowdens Rechte zu schützen, so wie er ihre beschützt hat – es ist eine Schande! – Glenn Greenwald


Das FBI ermittelt auch gegen Snowden wegen Verletzung des Espionage Acts und es wird gefordert, er solle in die USA zurückkehren, um sich der Justiz zu stellen. Angesichts des Schauprozesses gegen Chelsea Manning und ihrer drakonischen Haftstrafe ist diese Forderung natürlich abwegig, denn auch bezüglich Snowden ist die Stimmung im US-Politestablishment geprägt von niedersten Rachegelüsten. So forderte der ehemalige CIA-Direktor James Woolsey, Snowden solle „am Hals aufgehängt werden, bis er tot ist,“ während Trumps designierter CIA-Chef, Mike Pompeo, Snowden in die USA holen will, um ihn dort hinzurichten.

 

Es ist erschreckend, mit welchem Hass sich Whistleblower konfrontiert sehen, wie sie in Isolationshaft weggesperrt oder ins Exil getrieben werden, wie ihnen offen mit Mord gedroht wird, und mit welcher unglaublichen Feigheit ihr Mut und ihre Aufopferung quittiert werden. Die drei hier Behandelten sind zwar die mit Abstand berühmtesten Köpfe im Whistleblower-Komplex, doch dürfen auch all die anderen mutigen Personen nicht vergessen werden, die alles riskieren, um Regierungsverbrechen vor der Weltöffentlichkeit anzuklagen: Jeffrey SterlingStephen KimThomas DrakeJohn Kiriakou, um nur einige wenige zu nennen.

 

Sie alle müssen begnadigt werden und haben hinter Gittern nichts verloren.

 

Obamas Geschenk an Trump

„Lasst uns diesen Hurensohn ins Gefängnis werfen!“ – woran Nixon im Falle Daniel Ellsberg noch scheiterte, schwebt in der post-Obama-Ära nun wie ein Damoklesschwert über jedem potentiellen Whistleblower. Und ein Präsident Trump kann sich in seinem angekündigten Kampf gegen das freie Journalistentum („…and we’re going to have people sue you like you never got sued before.“) nun stets auf den liberalen Obama berufen. The Intercept spricht von einem „Geschenk“ Obamas an Trump: „Eine Politik des harten Durchgreifens gegen Journalisten und ihre Quellen.“


Dieser nicht zu unterdrückende, bohrende Stich im Gewissen, wenn wir Zeuge werden von eklatanter Ungerechtigkeit.


Das persönliche Risiko, das Whistleblower eingehen, um für das einzustehen, woran sie glauben, für Gerechtigkeit, für Transparenz der Regierung, und vor allem für den Machtmissbrauch derselbigen, ist extrem hoch. Das Leben, wie sie es kannten, ist vorbei, es geht kein Weg mehr dorthin zurück. Es ist diese Selbstaufopferung, der gegenüber wir als globale Zivilgesellschaft eine Verpflichtung haben. Es ist dieser „Mut“, den Obama vor seinem Amtsantritt noch so sehr gepriesen hat. Die Erkenntnis, dass Einzelpersonen die Welt verändern können. Dass es Situationen gibt, in denen das eigene Schicksal hinter der gerechten Sache zurückstehen muss. Und dass es noch wahrhaftige Prinzipientreue gibt, dieser nicht zu unterdrückende, bohrende Stich im Gewissen, wenn wir Zeuge werden von eklatanter Ungerechtigkeit.

 

Obama hat all das nicht. Er hat weder Mut, noch Prinzipien. Er hat kein Interesse an Gerechtigkeit und sein Streben nach Change beschränkte sich von Anfang an darauf, dass er nun an der Reihe ist, am 137 Jahre alten, mit Saffianleder bespannten Resolute-Schreibtisch im Oval Office zu sitzen. „Sein beständigstes Motiv war nie Veränderung, es war Macht.“ – entlarvte der großartige John Pilger bereits im Juli 2009 die Obama’sche Scharade.

 

President Obama ist ein Tritt ins Gesicht all der mutigen Whistleblower dort draußen, er ist eine Schande für das freie Journalistentum, und für das Streben nach Wahrheit und Gerechtigkeit. Er hat den demokratischen Prozess ausgehöhlt und den Machtmissbrauch der Regierung vor dem sezierenden Prüfstand der Öffentlichkeit immunisiert, wie es einem reaktionären Republikaner á la George W. noch unmöglich gewesen wäre. Thomas Drake – ein weiterer unter Obama verurteilter Whistleblower – resümiert, Obama hätte „das Regime der Geheimhaltung“ gar auf ein Niveau gebracht, das „weit über dem liegt, was George Bush überhaupt im Sinn hatte.“

 

Zusätzlich zum exzessiven Ausbau des Überwachungsstaats und seines Krieges gegen Whistleblower und die freie Presse, baute Obama innenpolitisch (massive Stärkung des Heimatschutzministeriums, Deportation von 2,5 Millionen Immigranten – mehr als jeder Präsident vor ihm) wie außenpolitisch (illegale, ausschließlich vom Präsidenten legitimierte Kriege, ein vom Oval Office aus geführtes Programm illegaler Drohnenmorde) in ungekanntem Ausmaße die Befugnisse der Regierung aus und konzentrierte somit Macht in der Exekutive, wie es mit dem narzisstischen Protofaschisten Trump an der Spitze der USA katastrophale Auswirkungen haben kann. „Wenn Donald Trump im Januar zum Oberbefehlshaber wird,“ schreibt Alex Emmons von The Intercept, „wird er eine präsidiale Macht übernehmen, die so umfangreich und unkontrolliert ist wie nie zuvor.“

 

Das ist Obamas Erbe.

 


*NACHTRAG (7:00, 18.1.2017): Wenige Stunden nach Veröffentlichung dieses Artikels kam die Nachricht aufs Tablett, Obama würde tatsächlich Chelsea Manning begnadigen, so dass sie in Summe rund sieben Jahre im Gefängnis gesessen haben wird. JusticeNow! und ich persönlich begrüßen und feiern diesen Schritt natürlich explizit. (Mein Morgenkaffee ist nur Dir gewidmet, Chelsea!) Die Begnadigung ändert jedoch nicht das Geringste am Gesamtbild. Obama hatte acht Jahre Zeit, um Positives zu erreichen – und entschied sich für das exakte Gegenteil. Obama hat nur einen einzigen Grund für diesen späten Schritt: seine Memoiren. Messerscharfe Kalkulation. Nun wird er zynischerweise als derjenige in die Geschichte eingehen, „der sich für Whistleblower eingesetzt hat.“ Das krasse Gegenteil ist und bleibt der Fall. 

 

Free all Whistleblowers!

 

Jakob Reiman, 17.01.2017