03. Mai 2020
OFFENER BRIEF
an die/den/das
Hohe Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR)
Michelle Bachelet Jeria
UN-Sonderberichterstatter für Folter
Prof. Nils Melzer
Ständigen Vertreter Deutschlands bei den Vereinten Nationen in New York
Botschafter Dr. Christoph Heusgen
Europäische Parlament
Präsident David Sassoli
Vorsitzenden sowie die Mitglieder des Ausschusses des
europäischen Parlaments
LIBE - Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres
Ausschussvorsitzender Juan Fernando López Aguilar
Bundespräsident Bundesrepublik Deutschland
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Präsident des Deutschen Bundestages
Dr. Wolfgang Schäuble
Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland
Dr. Angela Merkel
Fraktionsvorsitzenden des Deutschen Bundestages
Dr. Alice Weidel, Amira Mohamed Ali, Katrin Göring-Eckardt, Dr. Alexander Gauland, Dr. Dietmar Bartsch, Dr. Anton Hofreiter, Christian Lindner, Ralph Brinkhaus, Rolf Mützenich
Mitglieder der Ausschüsse des Bundestages
Auswärtiger Ausschuss, Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Ausschuss für Kultur und Medien
Amnesty International
Dr. Mathias John, Eilidh Douglas Chair, Gabriele Stein, Roland Vogel
Sehr geehrte Damen und Herren,
am 03.05.2020 ist der internationale Tag der Pressefreiheit. Auch an diesem Tag wird der mehrfach preisgekrönte, australische Journalist und Wiki-Leaks-Mitgründer Julian Assange - entgegen Art. 19 der Erklärung der Allgemeinen Menschenrechte, dem Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung, im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in London (Großbritannien) gefangen gehalten.
Trotz seiner Lungen-Vorerkrankungen, des erhöhten Risikos an Covid 19 zu erkranken und letztendlich daran zu sterben, wird Julian Assange dort als politischer Gefangener festgehalten. OHNE Gerichtsurteil wird Julian Assange seiner Freiheit beraubt und sitzt dort in PRÄVENTIVHAFT.
Die USA fordern seine Auslieferung, allein aus diesem Grund sitzt ein nicht verurteilter Journalist im Gefängnis mit der höchsten Sicherheitsstufe ganz Großbritanniens.
Die Zahl der Rechtsbeugungen und Rechtsbrüche (Veränderung von Zeugenaussagen, Vergiftungspläne, Spionage), die von Behörden und staatlichen Akteuren mehrerer Länder in geheimen Absprachen (wie teilweise die Originaldokumente der schwedischen Akten oder Aussagen von Mitarbeitern der in der ecuadorianischen Botschaft tätigen Sicherheitsfirma UC Global belegten) begangen wurden und werden, um Julian Assange gefangen zu nehmen, ist laut UN-Sonderberichterstatter für Folter Prof. Nils Melzer mit keinem anderen ihm bekannten Fall zu vergleichen. Dieses Unrecht schreit zum Himmel.
Zum Tag der Pressefreiheit sollte unbedingt auf Assanges Justiz-Skandal aufmerksam gemacht werden, der als Präzedenzfall unsere fundamentalsten Grundrechte außer Kraft setzt und in die Geschichte eingehen wird – auf die eine oder andere Weise.
Dieser Präzedenzfall bedeutet, dass zukünftig jedes Land willkürlich jede*n Journalisten*in belangen könnte. Unabhängig davon, in welchem Land sie wohnen, arbeiten oder welche Staatsangehörigkeit sie haben. Berichten sie über China oder Katar oder den Iran, könnte dieses Land ihre Strafverfolgung und Auslieferung beantragen. Wollen Sie das? Stellen Sie sich so die Zukunft des Journalismus vor? Wir nicht!
Bitte bedenken Sie, dass ein internationaler, preisgekrönter, investigativer Journalist illegal festgehalten wird! Seine Haftstrafe wegen eines geringfügigen Kautionsverstoßes endete im September 2019.
Das Leben von Julian Assange ist in Gefahr. Das belegen Veröffentlichungen wiederholter und kontinuierlicher Warnungen, aufgeführt von:
Die Rechtsanwältin und Vorsitzende der schwedischen Anwaltskammer Anne Ramberg hat treffend formuliert: “Sollten wir jemanden an Nazi-Deutschland ausliefern, der die Existenz von Konzentrationslagern und Völkermord bewiesen hat? Wohl kaum … “
Um nichts anderes geht es in diesem Fall.
Schlimmer noch, wenn Julian Assanges Grundrechte auf Freiheit und Leben VON STAATLICHER SEITE bzw. der Weltgemeinschaft ignoriert werden, dann kann es jeden Menschen auf der Welt ganz genauso ergehen, Menschenrechte und die Vereinten Nationen werden zur unglaubwürdigen politischen Fassade entwertet.
Zum Auftakt des (Schau-)Prozesses gegen Julian Assange waren Menschenrechtsaktivisten aus aller Welt zusammen vor dem Hochsicherheitsgefängins in Belmarsh. Während der gesamten Dauer der Anhörungen vom 24. bis 27.02.2020 haben uns die Verachtung und Empathielosigkeit, mit der Julian Assange behandelt wird, zutiefst bestürzt. Nicht die mutigen Journalisten, die Kriegsverbrechen aufdecken, gehören auf die Anklagebank, sondern die Kriegsverbrecher - die unschuldige Zivilisten töten! Wie Sie hoffentlich gehört haben, haben sich die Anschuldigungen aus Schweden als haltloses Konstrukt herausgestellt, und in der mehr als wackligen Anklage der USA geht es um Spionage und einen (gescheiterten!) Versuch, ein Passwort für die Installation zu knacken. Rechtfertigt dies die grausame, unmenschliche Behandlung von Julian Assange und die Aussicht auf 175 Jahre Isolationshaft oder Todesstrafe?
Großbritannien, das Mutterland der Magna Carta Libertatum, ist gerade dabei, Grund- und Menschenrechte mit einem Schlag zunichtezumachen, die bereits seit über 700 Jahren (!) Bestand haben. Artikel 29 der Magna Carta besagt „Kein freier Mann darf entführt oder inhaftiert werden oder seines Eigentums oder seiner Regeln oder seiner Gewohnheiten enteignet, geächtet oder ins Exil verbannt oder sonst wie vernichtet werden; noch werden wir ihn nicht weitergeben oder ihn verurteilen, außer durch rechtmäßiges Urteil der Seinesgleichen oder durch das Gesetz des Landes. Wir werden an niemandem das Recht oder die Gerechtigkeit verkaufen, verleugnen oder verhindern.“ Genau dieses Recht fällt, sollte Julian Assange weiter verfolgt oder sogar an die USA ausgeliefert werden.
Wir fordern die oben genannten Institutionen der Weltgemeinschaft daher auf, insbesondere Julian Assange unter den Schutz der Vereinten Nationen zu stellen und die Kriegsverbrechen der Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika zu verurteilen.
Die Regierungskoalition der Bundesrepublik Deutschland aus CDU/CSU und SPD, die Fraktionen und alle Abgeordneten des Bundestages fordern wir darüber hinaus auf, sich der Verantwortung bewusst werden und danach zu handeln, die Deutschland mit dem Vorsitz des UN-Sicherheitsrates und somit für Durchsetzung der Allgemeinen Menschenrechte weltweit übernimmt.
Wir fordern die sofortige und bedingungslose Freilassung von Julian Assange sowie Asyl
in einem Land seiner Wahl! Mit Julian Assange steht und fällt die Idee von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie.
Campaigns4Whistleblowers und Freunde